Kaspar Surber
Zürcher Journalistenpreis
Kaspar Surber, 1980, ist Journalist bei der «Wochenzeitung» («WOZ») in Zürich und Mitglied der Redaktionsleitung. Er schreibt über Politik, Medien und Geschichte, speziell über Asyl- und Migrationsthemen. Surber hat an der Universität Zürich Geschichte und Publizistik studiert. Seine Laufbahn begann er beim Kulturmagazin «Saiten» in St. Gallen und als Konzertkorrespondent für das «St. Galler Tagblatt». Im Reportagenband «An Europas Grenze» hat er den Umgang mit Geflüchteten an der europäischen Aussengrenze beschrieben, im Bildband «Walter Mittelholzer Revisited» das kolonial geprägte Bild des afrikanischen Kontinents in der Schweiz.
laudatio
von Doris Kleck
Manu ist ein Schweizer ohne Pass. Hier geboren, als Sohn spanischer Migranten, aufgewachsen in Adliswil, spricht breitestes Züritüütsch. Als furchtlos bezeichnet ihn seine Schwester, immer auf der Suche nach dem Kick – als Kind das Feuer, später die Drogen. Zwischen 12 und 18 Jahren Aufenthalte in sieben verschiedenen Heimen.
1500 kriminelle Ausländer würden jährlich ausgeschafft, sagte die SVP im Abstimmungskampf.
1530 kriminelle Ausländer hat die Schweiz 2023 tatsächlich ausgeschafft, wie die ersten offiziellen Zahlen dazu vom Staatssekretariat für Migration zeigen.
Manu hätte die Nummer 1531 sein können. Das Bundesgericht bestätigte 2023 seinen Landesverweis.
Kaspar Surber erzählt uns seine Geschichte fernab von Strichli-Listen und Statistiken. Als Surber Manu im Frühling 2024 trifft, ist er nur behördlich geduldet. Die Strafe für die Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz hat er abgesessen. Doch die Therapie läuft noch. Die offenen Wunden an Beinen und Füssen hätten verheilen sollen, bevor Manu in den nächsten Monaten nach Spanien ausreist. Ausreisen muss.
Surber legt sich gerne mit den Mächtigen an. Schreibt scharfe Kommentare, grosse Einordnungen. Doch hier wählt er ein anderes Mittel. Er zoomt nahe heran. Kommt vom Kleinen zum Grossen. Vom Einzelschicksal zur Systemfrage. Die Sprache präzise und schnörkellos. Empathisch, aber kein Migrationskitsch. Nicht moralisierend, aber wirkungsmächtig. Jedes Zitat sitzt. Der Text hallt nach.
- Hatte die Mehrheit der Stimmbevölkerung Leute wie Manu im Sinn, als sie die Ausschaffungsinitiative der SVP annahm?
- Wie geht die Schweiz mit Secondos um, die hier auf die schiefe Bahn geraten sind? Oder wie es Manu sagt: «Ich bin in der Schweiz süchtig geworden, und ich habe mir meine Sucht hier finanziert.»
Der ehemalige SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt sagte in einem Interview, Secondos gehörten zur Schweizer Rechts- und Sozialgemeinschaft. «Aus dieser Gemeinschaft können und sollen wir Menschen nicht ausschliessen.»
Bei Manu passiert es doch. Eigentlich soll die Härtefallklausel Secondos vor Landesverweisen schützen. Hier griff sie nicht – und in vielen anderen Fällen tut sie es auch nicht.
Zur Ausschaffung kommt es trotzdem nicht. Manu stirbt wenige Wochen nach dem Treffen mit Kaspar Surber. «Ganz zum Schluss, als wolle er allen ein Schnippchen schlagen, die ihn ausser Landes spedieren wollten, wird Manuel Bengoechea in Schweizer Erde begraben», heisst es im Text. An der Beerdigung läuft Stiller Has.
Wir gratulieren Kaspar Surber zum Gewinn des Zürcher Journalistenpreises.
